Der Klimawandel ist zum Gegenstand zahlreicher politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Debatten im Alpenraum geworden. Die Jahre 1994, 2000, 2002 und vor allem 2003 waren die heißesten, die in den Alpen seit 500 Jahren verzeichnet wurden. Aufgrund dieser warmen Jahre und des extrem schneearmen Winters 2006/2007, sind der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf den alpinen Wintertourismus zu einem wichtigen Thema geworden. Ein solcher Extremwinter kann noch nicht als Beweis für den Klimawandel gesehen werden, jedoch wird eine außergewöhnliche Häufung von solch speziellen Wetterlagen von Klimaforschern als Folge der Klimaerwärmung vermutet. Falls die Prognosen der Klimaszenarien eintreffen, kann der Winter 2006/2007 einen Vorgeschmack liefern, welche Bedingungen in ein paar Jahrzehnten in den Alpen Normalität werden könnten.[1] Es ist mit einer zunehmenden Verringerung der Schneedecke in niedrigen Lagen, einem Abschmelzen der Gletscher und Permafrostgebiete in höheren Lagen sowie Veränderungen der Temperatur- und Niederschlagsextreme zu rechnen.[2] Eine direkte Anhäufung von Naturrisiken, wie Überschwemmungen, Bergstürze, Murenabgänge und Schäden an Gebäuden und Infrastruktur sind damit verbunden.[3]
Um einen Einblick der Klimaänderung in den Alpen zu bekommen, wird zunächst auf Fakten der klimatologischen Vergangenheit des Alpenraums eingegangen. „Die Alpen gehören zu den klimatologisch bestdokumentierten und untersuchten Gebieten der Erde“[4]. Aufgrund der interessanten geografischen Lage und der seit circa 1750 systematisch mit Messgeräten erfassten Klimakenngrößen, nehmen die Alpen in der Klimaforschung einen ganz besonderen Stellenwert ein.
Aus der graphischen Darstellung der HISTALP‐Datenbank (Historical instrumental climatological surface time series of the Greater Alpine Region) der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien wird der Temperaturanstieg im Alpenraum im Vergleich mit dem Temperaturanstieg für die gesamte Nordhemisphäre der Erde der letzten 250 Jahre dargestellt (vgl. Abbildung 1). Es wird deutlich, dass die Temperaturerhöhung in den Alpen viel ausgeprägter ist als die auf hemisphärischer Skala. Ein markanter Temperaturanstieg seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit einer warmen Periode um 1950 und einem besonders starken Temperaturanstieg seit Beginn 1980 sind entscheidende Erkenntnisse und zeigen einen zunehmend rasanten Temperaturanstieg in den Alpen in den letzten Jahrzehnten.[5]
Abbildung 1: Lufttemperatur im Alpenraum und auf der Nordhemisphäre (Abweichungen vom Mittel des 20. Jahrhunderts)[6]
Die Temperatur in den Alpen ist in den letzten 120 Jahren um 1,6 °C bis 2 °C angestiegen, im Vergleich zum globalen Mittel von 0,6 °C. Das bedeutet, dass der Alpenraum einen somit mehr als doppelt so starken Temperaturanstieg wie im globalen Mittel aufweist. So können die Alpen laut Prof. Dr. Seiler „auch als ein gut funktionierendes Klimafrühwarnsystem betrachtet werden, in dem auch die Folgen des Klimawandels verstärkt auftreten“[7]. Die Gründe, warum der Alpenraum besonders sensibel auf den Klimawandel reagiert, sind auf die Topographie und die verminderte Reflektion durch geringer werdende Schnee‐ und Eisbedeckung zurückzuführen. Die Hanglagen stellen eine größere Heizfläche für die den Boden umgebenden Luftmassen bereit. Eine verminderte Reflexion der Sonnenstrahlung führt zu einer stärkeren Absorption und damit zu einem stärkeren Temperaturanstieg.[8]
Einen Blick in die Zukunft der weltweiten Temperaturentwicklung gibt der Report des International Panel on Climate Change (IPCC). Die Zusammenfassung des Berichts vom Februar 2007 gibt geschätzte globale Temperaturerhöhungen bis in das Jahr 2090 - 2099 (in Relation zu den Werten von 1980 bis 1999) an. Die Schätzwerte gehen von einer Erhöhung der Lufttemperatur von 1,1 bis 2,9 °C (B1, elementares Szenario) und 2,4 bis 6,4 °C (A1FI, umfassendes Szenario) aus.[9] Diese Szenarien beziehen sich auf die unterschiedlichen Entwicklungen des weiteren Anstiegs der anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen, Bevölkerungswachstum, ökonomische und soziale Entwicklung, technologische Veränderung, Ressourcenverbrauch und Umweltmanagement. Es wurden 40 Szenarien in vier Hauptgruppen A1, A2, B1 und B2 unterteilt. Das A1 Szenario geht von einem starken Weltwirtschaftswachstum, einer zunehmenden Weltbevölkerung bis Mitte des 21. Jahrhunderts, einer schnellen Einführung neuer und effizienter Technologien und einer zunehmenden globalen Welt aus. Es werden drei Gruppen in diesem A1 Szenario klassifiziert, die sich in ihrer technologischen Schwerpunktsetzung bei der Nutzung von Energiequellen unterscheiden: Fossile Brennstoffe (A1FI), nicht fossile Energiequellen (A1T) und einer ausgewogenen Mischung von fossilen und nicht‐fossilen Energieträgern, dem Szenario A1B.[10] Dieses Szenario A1B wird als das am wahrscheinlichsten zutreffende Szenario gesehen und liegt im mittleren Wertebereich der sogenannten Special Report on Emission Scenarios (SRES) wie in Abbildung 2 zu erkennen ist.
Abbildung 2: Entwicklung der globalen Mitteltemperatur seit Ende des 20. Jahrhunderts und im 21. Jahrhundert in Abhängigkeit von den sechs SRES-Emissionsszenarien[11]
Das EU-Projekt ClimChAlp (Interreg III B Alpenraumprogramm) untersucht Auswirkungen des Klimawandels in den Alpen und soll Reaktionsmöglichkeiten aufzeigen.[12] Das ClimChAlp-Arbeitspaket 7 beschäftigt sich speziell mit den Folgen des Klimawandels für die Raumentwicklung und Schlüsselbereiche der Wirtschaft (Tourismus) im Alpenraum. Am Arbeitspaket 7 sind 8 Partner beteiligt. Die Projektaktivitäten finden hauptsächlich in Modellregionen statt. In Bayern hat sich hierfür der Landkreis Berchtesgadener Land zur Verfügung gestellt und wird im Rahmen der Arbeit noch ausführlicher behandelt (Vgl. Kapitel 7). Im Folgenden soll auf modellierte Temperatur‐ und Niederschlagsveränderungen für den bayerischen Alpenraum eingegangen werden, mit speziellem Fokus auf die Modellregion Berchtesgadener Land.
Mit dem regionalen Klimamodell REMO des Max‐Planck‐Institut für Meteorologie in Hamburg (MPI-M) konnten erstmalig Klimaszenarien für mögliche Klimaänderungen in Deutschland bis zum Jahr 2100 auf einem 10 km x 10 km Gitter berechnet und für regionale Untersuchungen verwendet werden. Die Basis der hierfür erarbeiteten Daten ist das A1B Szenario des IPCC.[13] Bis zum Jahr 2035 ist für den bayerischen Alpenraum und den südlichen Teil der Modellregion Berchtesgadener Land ein Anstieg der Temperatur von 1 °C bis 1,5 °C zu erwarten. Im Norden des Berchtesgadener Landes sind es 0,5 °C bis 1 °C (vgl. Markierung in Abbildung 3). Prognosen für Temperaturänderungen speziell im Winter sind nahezu identisch. Ein deutlicher Temperaturanstieg der durchschnittlichen Jahrestemperaturen von 2 °C bis 3 °C bis 2055 (vgl. Abbildung 4) und 3,5 °C bis 4,5 °C für das Jahr 2085 wurden für den bayerischen Alpenraum errechnet.
Abbildung 3: 2035, Veränderung der durchschnittlichen Jahrestemperaturen bezogen auf die Klimaperiode 1961-1990, gemittelt über 30 Jahre, Szenario A1B[14]
Abbildung 4: 2055, Veränderung der durchschnittlichen Jahrestemperaturen bezogen auf die Klimaperiode 1961 – 1990, gemittelt über 30 Jahre, Szenario A1B[15]
Die Veränderung der durchschnittlichen Niederschläge ist regional abhängig. Im Winter werden sich Niederschläge in den bayerischen SüdOst-Alpen und dem Berchtesgadener Land für den Zeitraum 2025 bis 2085 auf ein Plus von 7 % bis 20 % belaufen (bezogen auf die Klimanormalperiode 1961 – 1990). Hier sei jedoch erwähnt, dass aufgrund der steigenden Temperaturen die Niederschläge zunehmend weniger in Form von Schnee fallen werden. Die Prognosen für die Sommerniederschläge der kommenden Jahrzehnte, weisen lokale Unterschiede im bayerischen Alpenraum auf (+10 % bis -6 %). Bis 2045 wurde für die Region Berchtesgadener Land eine Zunahme von 2 % bis 10 % und im Wettersteingebirge und den Bayerischen Voralpen eine Abnahme von bis zu 10 % modelliert. Ab dem Jahr 2065 wird allerdings ein Rückgang der sommerlichen Niederschläge im gesamten bayerischen Alpenraum von 15 % bis 25 % und bis 2085 bis zu 30 % erwartet (im Wettersteingebirge und im Allgäu sogar bis zu 40 %).[16]
Um einen Datenvergleich aufzuzeigen, werden an dieser Stelle Ergebnisse des EU Projektes „PRUDENCE“ (Prediction of Regional scenarios and Uncertainties for Defining EuropeaN Climate change risks and Effects) dargestellt. Dieses hat verschiedene regionale Klimamodelle verwendet, um Szenarien für den Zeitraum 2071 bis 2100 für Europa zu liefern. Es wurde ein Temperaturanstieg von ca. 4 °C für den Alpenraum...